Konstanzer Schriften zur Rechtswissenschaft
Band 158

Jochen Nerenz

Urheberschutz bei grenzüberschreitenden Datentransfers:
Lex Loci Protectionis und Forum Delicti

1. Auflage 2000, VI, 202 Seiten, € 50,11. ISBN 3-89649-531-3

Elektronische Kommunikationsmittel wie das Internet eignen sich zunehmen für den Versand komplexer audio-visueller Werke und Software. Beim urheberrechtlichen Schutz bestehen auf internationaler Ebene jedoch oft noch erhebliche Unterschiede. Im Online-Bereich wird damit das Problem adäquater, allseitig vorhersehbaren Haftungsmaßstäbe drängender. Die Untersuchung geht deshalb den Fragen nach, welche nationalen Sachnormen darüber entscheiden, ob in ein subjektives Urheberrecht eingegriffen wurde und wo die Verletzten ggf. ihre Ansprüche geltend machen können. Das internationale Delikts- und Zuständigkeitsrecht stellt dabei die schwierige Aufgabe, gebietsbezogene Kriterien möglichst interessengerecht an Vorgänge anzupassen, die über nahezu globale Medien ablaufen. Der Ausgangspunkt liegt hier in einer Analyse möglicher Urheberrechtsverletzungen durch Datentransfers, wobei der Autor einzelne Nutzungsformen anhand ihrer Bedeutung für die relevanten Eingriffstatbestände systematisiert. In diesem Rahmen setzt er sich zugleich mit den materiell-rechtlichen Harmonisierungsansätzen auseinander. Wie die Schutznormen konkret ausgestaltet sind, kann auch die Entscheidungen im internationalen Privatrecht (IPR) beeinflussen. Für die dort erforderliche Qualifikation wird insofern erwogen, bereits die lex causae, hier also das mutmaßlich einschlägigen Sachrecht, zu berücksichtigen.
Ausführlich untersucht die Arbeit ferner den Einfluß der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ). Deren Grundprinzipien und ihr Gehalt für das Kollisionsrecht werden ebenso strukturiert erörtert wie vermeintliche Divergenzen zwischen einer Verweisung auf die sog. lex loci protectionis und dem Schutzlandprinzip. Grenzüberschreitende Übermittlungsvorgänge betreffen mehrere Rechtsordnungen, in denen schon auslegungsbedingt andere Maßstäbe zur Ermittlung des anwendbaren Urheberrechts (Anknüpfung) gelten können. Dies führt leicht zu Schutzlücken oder Wertungswidersprüchen. Ihnen läßt sich indes durch die einheitliche Interpretation von Tatbestandsmerkmalen begegnen. Für jede Eingriffsform entwickelt der Autor daher Lösungsansätze zu der zentralen Frage, welcher territoriale Sachverhaltsabschnitt die Anknüpfung international harmonisieren sollte. Das hiernach maßgebliche Schutzland läßt sich, abhängig von den räumlich gestreckten Eingriffstatbeständen, anhand verschiedener Schwerpunkte lokalisieren. Sonst noch denkbare Anknüpfungskriterien wären letztlich weniger sachgerecht. Trotz globaler Zugriffsmöglichkeit müßten aber beim "Uploading" von schutzfähigen Werken angemessene Einschränkungen gelten.
Den Überlegungen zur gerichtlichen Zuständigkeit liegt exemplarisch das EuGVÜ zugrunde. Das dort geforderte "schädigende Ereignis" wird zwar durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs konkretisiert, doch erscheint der maßgebliche Gerichtsstand (forum delicti) hier nicht völlig "autonom" bestimmbar. Mittelbar beruht er vielmehr auf der jeweiligen sach- und kollisionsrechtlichen Sichtweise. Unter Bezug auf einzelne Sachverhaltselemente wird geklärt, inwieweit klassische Distanzdelikte vorliegen könnten. Schließlich werfen potentielle Streuschäden die Frage nach einer "Mosaikbetrachtung" auf. Der Autor schlägt insoweit einen Kompromiß vor, der den Geschädigten prozessual begünstigt, aber zugleich ein "forum shopping" verhindert. Insgesamt wird die Diskussion um das Online-Recht so in einem brisanten und anspruchsvollen Themenkomplex bereichert. Das Buch leistet hier einen Beitrag zur Lösung von Problemen, die international akut sind. Denn angesichts der elektronischen Verwertungsmöglichkeiten hängt höhere Rechtssicherheit wesentlich davon ab, ob es länderübergreifend gelingt, ein gleichmäßiges Schutzniveau zu etablieren.

Reihe: "konstanzer schriften zur rechtswissenschaft"

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