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Gabriel H. Decuble

Die hagiographische Konvention.
Zur Konstituierung der Legende als literarische Gattung.
Unter besonderer Berücksichtigung der Alexius-Legende

                                                                             1. Aufl. 2002. 250 Seiten; € 29,00; ISBN 978-3-89649-779-6

 

 

 

 

Zusammenfassung

Auf die Pflichtübung eines historischen Überblicks der bisherigen Legendenforschung glaubt die vorliegende Arbeit deswegen verzichten zu dürfen, weil sie auf die typologische Klassifizierung der wichtigsten Forschungslinien einen besonderen Wert legt. Dabei wird zwischen epistemologischen und persuasiven interpretatorischen Modellen unterschieden. Gerechtfertigt ist die Demarche dadurch, dass das Anknüpfen an den aktuellsten Forschungsstand einer terminologischen Klärung der zumeist pauschal benutzten Begriffe Legende, Vita, Historia, Hagiographie bedarf. So weise der Sammelbegriff Legende der kritischen Analyse zufolge auf ein Aufeinander von diachronisch verketteten Formen und ein Nebeneinander von synchronisch parallel existierenden Typen (Märtyrer- und Bekennergeschichten, Translationen, Inventionen usw.) zugleich hin.

Das zweite Kapitel geht von den in Legendenprologen erklärten Absichten der Hagiographen aus, die gemeinhin als Gattungsvoraussetzungen gelten, und versucht, ein der Legende zugrundeliegendes Gerüst poetischer Konstanten auszumachen. Im Vergleich zu früheren Forschern (Jolles, Schulmeister, Ringler) hält der vorliegende Beitrag die Intentionen der aedificatio und imitatio zwar für notwendig für die Entstehung von Legenden, nicht aber auch für ausreichend. Vielmehr wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die poetischen Intentionen auch mit pragmatischen Aspekten (imitabile und aedificator) in Verbindung zu setzen, damit die erstrebte Funktionshypothese zu beiden Momenten der Produktion und Rezeption definiert werden kann. Die Einheit dieser Momente sieht der Verfasser mal in der Praxis der ‘literarischen Wallfahrt’, mal im literarästhetischen Ziel eines ‘transzendenten Säkulums’ bestätigt. Da aber der Übergang von Intention über Praxis bis hin zum Ziel der Gattung der poetischen Kohäsion zuliebe ungebrochen erfolgen muss, wird die definierte Funktionshypothese als ‘hagiographische Konvention’ bezeichnet: Dementsprechend konstituiere sich die Gattung ‘Legende’ immer auf der Grundlage von festgelegten, zwar nicht notwendigerweise in der einschlägigen Variante ausgedrückten, indes im Bewusstsein von Autor und Publikum immer mitschwingenden Regeln, Kriterien und Prizipien. In den folgenden Kapiteln wird versucht, die Bewährungskraft dieser Funktionshypothese historisch, formal und struktural zu überprüfen.

Das 3. Kapitel wird der Untersuchung der historischen Konstituierung der Alexius-Motivik gewidmet. Infolge der Analyse eines rigoros aufgestellten Materials werden Hinweise auf Ursprung und Entwicklung des Stoffs gegeben: So bestehe die ursprüngliche Legende aus einem mit kargen biographischen Zügen versehenen Erzählrahmen, den die späteren Bearbeiter mit hauptsächlich panegyrischen Topoi bereichern. Da aber die Typenvarianz innerhalb der Überlieferung unvermeidlich zur Polymorphie führt, kann die diachrone Untersuchung die Gattungshaftigkeit der Textgruppe nicht erschöpfend beschreiben.

Gerade aus diesem Grund wird das 4. Kapitel auf eine detailreiche, synchrone Analyse eines der Varianz Rechnung tragenden Auswahlcorpus von 15 lateinischen, altfranzösischen und mittelhochdeutschen Fassungen der Alexius-Legende gemünzt. Dabei wird der Stoff auf Grund eines sich zum Strukturalismus bekennenden Verfahrens in kleinsten Elementen auseinander genommen, die als narrative bzw. rhetorische Sinneinheiten zu verstehen und nicht mit ‘literarischen Motiven’ zu verwechseln sind. Die ausgewählten Varianten der Alexius-Legende bilden einen virtuellen Matrixtext, auf Grund dessen das narrative Grundgerüst der Legende infolge der Abhebung sogenannter Konsensstellen von der übrigen textuellen Masse umrissen werden kann. Das ‘Drei-Phasen-Schema’, das aus der Kombinatorik von epischen Nexus resultiert, wird erneut überpüft, indem die formalen, gattungsbedingten Rekurrenzen vom textuellen Gut der Legende beseitigt, während die strukturalen, gattungsbedingenden Elemente beibehalten werden. Im Unterkapitel ‘Handlungstruktur und Hagiographem’ wird versucht, Anhaltspunkte für die Beschreibung einer allgemeingültigen Struktur der Gattung Legende zu gewinnen. Da aber das jeweilige individuelle "Markenzeichen" einer Legende sich vor allem innerhalb der Legendarsystematik in die allzu unpräzise Allgemeinheit der Gattung auflöst, wird es als notwendig betrachtet, dass ein Identitätsfaktor der jeweiligen Legende bzw. Heiligenfigur, den der Verfasser Hagiographem nennt, ausgemacht wird.

Nun müssen Gültigkeitsbereich und –dauer der zuvor definierten ‘hagiographischen Konvention’ präzisiert werden: Deswegen versucht der Verfasser im 5. Kapitel ausgehend von weiteren legendenhaften Stoffen bzw. von romanhaften, dramatischen und märchenhaften Bearbeitungen der Alexius-Literatur zu zeigen, inwieweit das eingangs konzipierte poetische Paradigma stoffwandelresistent ist. An den einzelnen Beispielen von Legenden, die als Quellstoff von ‘gattungszentrifugalen’ Bearbeitungen fungieren – >Gregorius<, >Eustachius<, >Alexius< –, werden gegen fremde Gattungsmerkmale jeweils eingetauschte Elemente als Teile der ‘hagiographischen Konvention’ interpretiert, deren ‘Störung’ unmittelbar zum Übergang in eine andere Gattung führt. Schließlich weist der Autor auch auf die Tendenz zur allegorischen bzw. symbolischen Darstellung im Falle der modernen, ästhetisierenden Bearbeitungen des Alexiusstoffs hin, und folgert, dass das früher invozierte Hagiographem ein Analogon zu solchen Verfahren darstellen müsse.

Die Schlussfolgerungen nehmen die separaten Erkenntnisse der vorherigen Kapitel synthetisch wieder auf und betonen, dass eine sinnvolle Theorie der mittelalterlichen Legende nur innerhalb einer sich erst in der neuesten Forschung langsam anbahnenden ‘Kontextualisierung’ der Legende, welche Poetik und Pragmatik der Gattung gleichberechtigt behandelt, stattfinden könne. Die vorliegende Arbeit versteht sich eben als Beitrag zu einem solchen Unternehmen.

 

Beachten Sie bitte auch den folgenden Titel:

 

 

Martina Hornung

Der heilige Tod
Legendenproduktion in der modernen deutschen
Künstlerbiographie von 1805 bis 2005.

Fallstudien zu Schiller, Goethe und Heine

1. Aufl. 2011, 436 Seiten; € 49,80.
ISBN 978-3-86628-372-5

 

 

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